Johann Andreas Stumpff / Königlich Britischer Harfenmacher
Klavierbauer, Königlich Britischer Harfenmacher,
Verehrer Mozarts u. Schillers,
Freund Goethes, Beethovens, Webers und Ludwig Storchs
Geboren wurde er am 27. Januar 1769 als zweiter Sohn des Klavier- und Instrumentenbauers Johann Heinrich Stumpff im Haus in der oberen Köhlergasse mit der heutigen Nr. 32 (s. Gedenktafel). Gleich seinen beiden jüngeren Brüdern erlernte er das Handwerk des Vaters.
Wie er sich später Goethe und Ludwig Storch gegenüber äußerte, verspürte er als junger Mensch bald den wachsenden Drang nach höherer Lebenseinsicht und die Sehnsucht nach einem von geistiger Warte her zu beeinflussenden Lebensglück, auch ein gewisses Fernweh.
Nach dem zufälligen Kennenlernen von Klopstocks „Messias" begeisterte er sich für den Dichter. Goethe sah er in Ruhla und einige Male beim Schloss Wilhelmsthal und begeisterte sich auch für ihn. Intensiv beschäftigte er sich mit der Musik und das Wenige, das er von Mozarts Tonschöpfungen erlangen konnte, reichte aus, um seine Seele zu entflammen. Dass er am gleichen Monatstag wie Mozart geboren war, bedeutete ihm zeitlebens viel.
Die unglückliche Liebe zu einem reizenden Rühler Mädchen veranlasste ihn, als Zwanzigjähriger seinen Heimatort zu verlassen.
Zunächst trat er bei einem Instrumentenmacher in Gotha in Arbeit, aber noch in demselben Jahre trieb es ihn nach Hamburg, auch um sich seinen Wunsch, Klopstock zu sehen, erfüllen zu können. Als ihm dies gelungen war, hielt es ihn auch nicht mehr in Hamburg.
Das Treiben der Hafen- und Handelsstadt behagte ihm nicht. Auf einem Kauffahrteischiff fuhr er mit nach London, wo er am Morgen des Ostersonntags 1790 ankam.
Nach einer kurzen Zeit des Suchens fand er Arbeit in der großen Pianofabrik „Broadwood" und schnell erlernte er auch die englische Sprache. Durch seine Tüchtigkeit avancierte er bald zum ersten Gehilfen und konnte seine Kunst noch vervollständigen. Durch Fleiß, Geschicklichkeit und Ehrenhaftigkeit war es ihm möglich, im zweiten Jahrzehnt seiner Tätigkeit in London Mittel und Wege zu eigener Werkstatt und eigenem Geschäft zu finden.
Nun wurde er in der Weltstadt ein bekannter, beliebter, gesuchter und berühmter Künstler. In der Herstellung kostbarer Pedalharfen kam ihm keiner gleich. Vom König erhielt er das Prädikat „Harpmaker to His Majesty". In der Folgezeit verdiente er viel Geld, aber er ist nicht reich geworden. Er war stets bereit zu helfen, Not zu lindern, Gutes und Schönes zu unterstützen. Mit ganzer Seele war er ein Freimaurer und verwirklichte die menschenfreundlichen Grundsätze der Loge. Besonders unterstützte er seine kranken und hilfsbedürftigen Landsleute in England.
Auf der Grundlage seines finanziellen Wohlstandes frönte er in den Mußestunden seinen großen Leidenschaften und verwendete viel Zeit auf das Studium deutscher Musik und Dichtung. In höchster Anerkennung und Gunst standen bei ihm Goethe, Schiller, Mozart und Beethoven.
Von Heimweh geplagt unternahm Stumpff im Frühjahr 1814, nach 25 Jahren, seine erste Reise nach Ruhla. Er hatte lange darauf warten müssen, denn Napoleon hatte keine Untertanen der englischen Krone in seinem fremdherrschaftlichen Einflussbereich geduldet. Von Ruhla ging Stumpff nach Weimar. Ein englischer Herzog, wahrscheinlich ein Bruder König Georgs IV., ein Meister vom Stuhl der Freimaurerloge, hatte ihn dem Herzog Carl August empfohlen. Diese Empfehlung muss sehr warm gewesen sein, denn dem Harfenmacher aus London wurden am Weimarer Hofe größere Ehrungen zuteil.
An der Tafel des Herzogs traf er auch Goethe. Dieser gewährte ihm einen ersten Huldigungsbesuch. Als sich Stumpff zehn Jahre später wieder in Weimar aufhielt, wurde er von ihm als Freund empfangen. Der Harfenmacher überreichte dem Dichter ein kostbares Dollondsches Fernrohr. Als Gegengabe bekam er von Goethe einige seiner Bücher, darunter „Werthers Leiden" mit dem Porträt des Dichters und der Widmung:
„Seinem werthen Landsmann J.A. Stumpff zum freundschaftlichen Andenken, Goethe, 1. November 1824".
Im Frühherbst 1829 weilte Stumpff erneut in Deutschland und hielt sich acht Tage in Weimar auf. Während dieser Zeit war er allabendlich Goethes Gast. Nach seinem Steckenpferd befragt, gestand er dem Dichter seine eigenen poetischen Versuche. Goethe bestand auf dem Vortrag einiger Verse und bekam u.a. das Gedicht „Der Kampf der Elemente" zu hören, welches die Dampfmaschine zum Gegenstand hatte. Er war interessiert und ermunterte den Ruhlaer. Danach veröffentlichte er mehrere Gedichte Stumpffs in der von ihm geleiteten Zeitschrift „Chaos".
Die Freundschaft der beiden Männer war endgültig besiegelt, als der Maler Johann Joseph Schmeller den Harfenmacher im Auftrag Goethes porträtierte (s. Abb.). Die Tage, die Stumpff am Weimarer Hof und mit Goethe verbringen konnte, nannte er später die glücklichsten seines Lebens. Bemühungen, auch dem Hof in Gotha seine Aufwartungen machen zu können, schlugen fehl. Dort hatte man kein Interesse an dem deutsch-englischen Harfenmacher aus London, obwohl er, wie er sich zu bemerken erlaubt hatte, ein Untertan des Gothaer Herzogs gewesen war.
Bei seiner zweiten Reise in die Heimat im Jahr 1824 besuchte Stumpff von Ruhla aus Salzburg, machte sich mit den Mozartstätten vertraut und lernte Constanze von Nissen, verwitwete Mozart und Mozarts 73-jährige Schwester Maria Anna Freifrau von Bechtold zu Sonnenburg kennen. Letztere traf er fast erblindet und in großer Armut an. Unverzüglich unterstützte er sie finanziell. Wie aus einem Briefwechsel von 1829 hervorgeht, übermittelte er kurz vor ihrem Tode nochmals einen Wechsel über 63 Pfund Sterling, worüber sich Constanze erst nach dem Begräbnis ihrer Schwägerin, noch in deren Auftrag, bedankte.
Bereits 1811 hatte Stumpff für 150 Pfund Sterling die Original-Notenblätter von 14 Kompositionen Mozarts erworben, die er im Umweg über eine Lotterie weiterverkaufen bzw., wie aus einem Brief an L. Storch hervorgeht, einer deutschen Bibliothek oder Kunstkammer stiften wollte. Aus beidem ist nichts geworden. Sie kamen 1847 mit Stumpffs Nachlass zur Versteigerung. 1990 konnte das Mozarteum in Salzburg zwei von ihnen bei Sotherby wieder ersteigern.
1824 besuchte Stumpff auch Carl Maria von Weber in Dresden und den schon tauben Beethoven in Mödlingen bei Wien. Er war überglücklich über das Zusammentreffen mit den von ihm verehrten Geistesgrößen der deutschen Musik und wurde zu ihrem Wohltäter. 1826 machte er Beethoven mit der Arnoldschen Prachtausgabe der gesammelten Werke Händels ein wahrhaft fürstliches Geschenk, organisierte mit der Direktion der Philharmonischen Gesellschaft in London ein Benefizkonzert zugunsten des schon lange kranken Komponisten und erwirkte 100 Pfund Sterling Vorauszahlung, um die drückendste Not zu lindern.
Leider kam diese Hilfe zu spät. Beethoven starb bereits am 26. März 1827.
Nach dessen Tod ließ Stumpff auf eigene Kosten eine Lithographie von ihm herstellen. Carl Maria von Weber, dem er auch zugeredet hatte, 1824 nach London überzusiedeln, unterstützte er mit einer größeren Geldsumme. Er kümmerte sich zwei Jahre später auch um die Beisetzung des Freundes, der einige Zeit sein Nachbar gewesen war.
Johann Andreas Stumpff war es auch, der bei dem 1827 von seinem Neffen Joh. Heinrich Katterfeld in Ruhla gegründeten Sägewerks-Unternehmen (Standort bis 1926 auf dem späteren Posthof) Pate gestanden hat, eine große englische Circular-Fourniersäge besorgte, sie weitgehend finanzierte und per Schiff nach Hamburg bringen ließ.
Über die Säge und das Ruhlaer Werk musste er Goethe 1829 ausführlich berichten. 1835 schenkte er seinem Neffen (Sohn seiner Schwester Christiane Gertrude und des Bäckers Friedrich Philipp Katterfeld) die Sägemaschine unter der Bedingung, dass die Firma für immer die Bezeichnung Stumpff & Katterfeld trage.
Wie schon erwähnt, betätigte sich Stumpff auch poetisch. Goethe gegenüber hat er sich als „hölzerner Dichter" bezeichnet, da er meist seine Einfälle in der Werkstatt hatte und die Verse auf Holzstückchen oder Fournierabfälle schrieb. Aus Ludwig Storchs Absicht, die Stumpffschen Gedichte zusammen herauszugeben, ist leider nichts geworden, da Stumpff Manuskripte nur sehr zögernd übermittelte. Eine Sammlung, die Arno Schlothauer vorgelegen hat, ist auch nicht veröffentlicht worden.
Zwei Gedichte davon wurden mir (Lotar Köllner) bekannt, eines gebe ich am Schluss dieses Textes wieder. Goethe hinterließ seinem Londoner Freund ein Gedicht und eine Zeichnung vom Weimarer Park, eigens für ihn von eigener Hand in den letzten Tagen seines Lebens angefertigt, mit der Widmung:
„Noch ist es Tag, da rühre sich der Mann! Die Nacht tritt ein, wo niemand wirken kann."
Seine Schwiegertochter schrieb bei der Übermittlung: „Sie waren einer von des Vaters geschätztesten Freunden".
Der Harfenmacher aus der Ruhl ist Zeit seines Lebens unverheiratet geblieben. Seine erste und einzige Liebe, das hübsche Rühler Mädchen, das er nicht bekommen durfte, hat er nie vergessen.
Von Ludwig Storch nach seinem Zölibat befragt, soll er sichtlich bewegt geantwortet haben: „Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder."
Johann Andreas Stumpff starb 77-jährig am 2. November 1846 in London an einer bösartig gewordenen Schienbeinverletzung. Den Erlös aus der von ihm testamentarisch festgelegten Versteigerung seines Vermögens hat er seinen Ruhlaer Verwandten zugedacht: ¼ seinem Bruder Johann Georg, ¼ dessen Sohn, den Rest den Nachkommen seiner beiden schon verstorbenen Schwestern (außer Heinrich Katterfeld, der die Fourniersäge schon geerbt hatte).
Die Ruhl ehrt Johann Andreas Stumpff seit 1863 durch eine Gedenktafel im Dichterhain und ab 2004 mit einer solchen an seinem Geburtshaus..
Eine Legende
In einem großen Ort… Fiel mir was Bessres ein,
So wär es nicht von einem toten Schwein,
Das einen Dieb einst selber hingerichtet.
Verlasst euch drauf, ich hab es nicht erdichtet.
In diesem großen Orte ein Metzger hängt zur Schau
Ein fettes Schwein. Erzählt gar mancher Frau
Das Alter, Zeit und Müh, was es gekostet hätte:
Schaut her, Frau Nachbarin, was gleicht wohl diesem Fette?
Hätt er es nicht getan! Ein Schelm, dem er es auch gepriesen,
Dacht, warte nur, umsonst hast du mir's nicht gewiesen,
Ich stehle es gleich heut in dieser Nacht.
Was er beschloss, ward nächtlich auch vollbracht.
Schon wankt er mit dem Schwein durch einen dunklen Weg,
Dann muss er über'n Bach auf einem schmalen Steg,
Der etwas steil, die Last auf seinem Rücken,
In jeder Hand ein Bein, die ihm die Schultern drücken.
Die Bein' ein Holz verband, das unter'm Kinn hinging,
Das ihm entsetzlich an zu schmerzen fing.
Kaum war er auf dem Steg und stützt die fette Last
Auf das Geländer hin zu einer kurzen Rast.
Da fängt sie an auf glattem Holz zu gleiten,
Hängt Dieb und Schwein hilflos auf beiden Seiten.
Am Morgen fand man ihn, zur Warnung und zum Schrecken,
Maustot, den Kopf, das Schwein im Wasser unten stecken.
(Eine wahre Geschichte, auf dem Weg durch die Ecke auf der Erbstrombrücke geschehen)